Was ist das Fragile-X Syndrom?

Die häufigste Form geistiger Behinderung

Fra-X aus dem   Blickwinkel der Genetik

Licht am Horizont
Licht am Horizont

Kurzerklärung zum Fragilen-X Syndrom

Nachfolgend finden Sie eine kurze Erläuterung zum Fragilen-X Syndrom (kurz FraX) betrachtet aus zwei Blickwinkeln:

  • Genetik
  • körperlicher, geistiger und Verhaltensphysiologie 

 Ursache des FraX ist ein vererbter genetischer Defekt. Zunächst beginnt sich dieser Gendefekt unbemerkt von Generation zu Generation in mehreren Stufen über die sogenannte Prämutation zu entwickeln, bis er schließlich in Form der Vollmutation zur Folge hat, dass das betreffende Gen nicht mehr funktioniert. Dadurch wird ein für die Entwicklung vor allem der Gehirnzellen und ihrer Verbindungen untereinander wesentlicher Baustein (ein „Protein„) nicht mehr gebildet und, es kommt zur Ausprägung des Fragilen-X Syndroms.

 

Chromosomen

Das Erbgut des Menschen ist in 46 Chromosomen unterteilt, 23 davon stammen von der Mutter und 23 vom Vater. Das 23. Paar bestimmt das Geschlecht eines Menschen. Frauen haben je ein X-Chromosom von der Mutter und vom Vater. Männer besitzen ein X-Chromosom von der Mutter und ein Y-Chromosom vom Vater.

 

Gene

Chromosomen bestehen aus einer Aneinanderreihung von Genen. Das Genom (die Menge aller Gene) des Menschen besteht aus etwa 25.000 einzelnen Genen, die über die Chromosomen verteilt sind (wenn auch ungleich). Beim Fragilen-X ist eines der Gene des X-Chromosoms defekt, identifiziert wurde dieses Gen im Jahre 1991. Es handelt sich um die Stelle „q27.3″ des X-Chromosoms, das dort befindliche Gen benannte man nach der Auswirkung bei Ausfall des Gens mit Fragile X Mental Retardation 1″, kurz FMR1-Gen.

 

Die Information der Gene liegt verschlüsselt auf den Chromosomen, in Form von Nucleotiden, die vier verschiedene Basen beinhalten: Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin, abgekürzt als A, T, G und C. Jeweils drei Basen bilden eine Informationseinheit (ein Trinukleotid) und bestimmen eine Aminosäure. Aus den Aminosäuren wiederum werden Proteine und Enzyme gebildet. Jedes Gen bestimmt durch die Abfolge der Basen ein ganz spezielles Protein bzw. Enzym. Das FMR1-Gen definiert ein Protein, das mit „FMRP“ (=Fragile X Mental Retardation Protein) bezeichnet wurde

Damit ein Gen seine Information weitergeben kann, muss es von anderen Enzymen abgelesen werden. Dazu braucht das Gen eine Stelle, an der sich die Ableseenzyme anlagern können. Dieser Bereich heißt Promotor. Der Promotor selbst enthält keine wesentliche Information, die für die Bildung des Proteins oder Enzyms notwendig wäre und spielt nur eine „technische“ Rolle. Allerdings liegt das Problem des Fragilen-X genau in diesem Bereich des Gens.

 

 

Stoffwechselstörung:

Auswirkungen des FMR1-Protein-Mangels

Heute weiß man, dass das FMR1-Protein (=FMRP), das bei FraX-Kindern ausfällt, am Stoffwechsel von chemischen Botenstoffen (Neurotransmittern) in den Dendriten der Gehirnzellen beteiligt ist. Das Fehlen von FMRP führt zu einer dauerhaften Übererregung der Synapsen und schließlich zur Degenerierung der Dendriten. Dadurch gehen wichtige neuronale Verbindungen dauerhaft verloren.

 

FMRP reguliert den durch die Neuro-transmitter ausgelösten Stoffwechsel. Es bindet sogenannte mRNA (ein Zwischenprodukt bei der Proteinsynthese) verschiedener Proteine und wirkt dabei zudem selbstregulierend. Der genaue Stoffwechsel ist noch nicht erforscht, allerdings beschäftigen sich damit zur Zeit weltweit verschiedene Forschergruppen. In den vergangenen Jahren gab es zunehmend Versuche, auf verschiedene Weisen in den beim Fehlen von FMRP veränderten Stoffwechsel regulierend einzugreifen. Ziel ist es, letztendlich eine gezielte medikamentöse Therapie von Fragilem-X zu ermöglichen.

 

FraX aus dem Blickwinkel  körperlicher, geistiger und verhaltens-physiologischer Besonderheiten

 

Das Fragile-X Syndrom stellt die häufigste Form erblicher Lern- und geistiger Behinderung dar. Das Spektrum ist weitläufig, Jungen/Männer sind meist stärker betroffen als Mädchen/Frauen.

 

Man geht heute von einer Häufigkeit von etwa 1:3000 aus. Neben der mentalen Beeinträchtigung gibt es eine Reihe körperlicher Besonderheiten, die beim FraX auftreten können.

 

Körperliche Merkmale:

Das Gesicht der Betroffenen ist meist lang und schmal, das Kinn kann sehr ausgeprägt und kantig sein. Die Ohren können sehr groß sein und stehen häufig ab. Die Merkmale des Gesichtes sind bei sehr jungen Kindern noch schwach ausgeprägt, treten aber mit zunehmendem Alter immer deutlicher hervor. Die Gelenke sind oft überstreckbar. Die Muskelspannung (Muskeltonus) ist häufig schwächer (Hypotonie), aber auch das Gegenteil, ein erhöhter Tonus (Hypertonie) ist möglich. Dadurch haben Betroffene einen auffälligen Gang, sie wirken schlaksig und etwas unbeholfen. Die körperlichen Merkmale sind einzeln nicht besonders auffällig, doch in der Kombination ergeben sie das für das FraX typische Erscheinungsbild.

Bene
Benedikt Schmidt

Verhaltensauffälligkeiten 

Verhaltensauffälligkeiten, die bei Menschen mit FraX gehäuft vorkommen, sind insbesondere Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsdefizite. Einige Verhaltensweisen tragen autismusähnliche Züge, wie das Vermeiden von Blick-kontakt, soziale Scheu, stereotypes Verhalten und das Bestehen auf Ritualen. Häufig wedeln Kinder mit den Händen oder beißen in den Handrücken, wenn sie besonders erregt sind. Betroffene mit FraX sind leicht erregbar und neigen vor allem in jungen Jahren zu heftigen Wutausbrüchen. Ihre Frustrationstoleranz ist niedrig, Bedürfnisse aufzuschieben fällt ihnen sehr schwer.

 

Die Entwicklung von Kindern mit FraX verläuft verzögert. Sie laufen spät und können Gleichgewichtsstörungen haben. Auch mit der Feinmotorik, wie z. B. dem Halten von Stiften oder dem Umgang mit Besteck haben sie häufig Probleme. Die Sprachentwicklung beginnt spät und verläuft langsam. Später haben die Kinder oft eine undeutliche Aussprache. Sie wiederholen einzelne Wörter oder Sätze (Echolalie), gern stellen sie auch immer wieder die gleichen Fragen. 

 

Weitere Informationen zum Fragilen-X-Syndrom finden Sie z. B. auf den Seiten des Selbsthilfeverbandes:

www.frax.de